Dieser Beitrag erschien zuerst auf RTL.de.
Die Londonerin Sally Walker, 39, leidet an Achalasie – einer seltenen Krankheit, die dazu führt, dass der Magen dicht macht. Das heißt, Sallys Speiseröhrenschließmuskel öffnet nicht richtig, die Beweglichkeit der Muskulatur ist gestört. Sally konnte weder feste Nahrung noch Wasser herunterschlucken. Und wenn sie etwas zu sich nahm, muss sie es sofort wieder erbrechen. Ihre Ärzte finden monatelang keine Ursache für ihr Leiden. Sally wird die ganze Zeit künstlich über einen Schlauch ernährt, die Leute auf der Straße starren sie an. Weil ihre Krankheit erst so spät diagnostiziert wurde und Sally sehr unter den Reaktionen anderer Menschen gelitten hat, möchte sie nun ihre Erfahrungen teilen und kämpft für mehr Aufmerksamkeit für diese seltene Erkrankung.
Essen mit Nebenwirkung
Zuerst wurden die Füße taub, dann die Beine. Am Ende war er verwirrt – was steckt dahinter?
Menschen lachen sie aus
Weil Sally künstlich über eine Magensonde ernährt wird, die sie permanent tragen muss, starren die Leute auf der Straße sie an, manche lachen sie sogar aus. Für Sally sind diese Reaktionen fast so schlimm, wie die Krankheit selbst. Sie leidet sehr unter den permanenten Blicken, wenn sie das Haus verlässt. Ein Verhalten, dass Sally nicht nachvollziehen kann: "Ich weiß, es ist nicht immer deren Schuld, aber wenn Du diejenige bist, die es ertragen muss, möchtest Du den Leuten nur sagen: Fragt mich doch einfach, was ich habe!"
Sallys Gesundheitszustand verschlechtert sich immer weiter
Ihre gesundheitlichen Probleme beginnen im Juni 2020, als sie Probleme bekommt, Nahrung bei sich zu behalten: "Immer, wenn ich was gegessen habe, ein Sandwich oder sowas, fühlte es sich so an, als würde es im Hals stecken bleiben und ich müsste es wieder hochwürgen. (…) Ich wusste, irgendwas stimmt nicht, aber ich konnte nicht genau sagen, was."
Ihr Arzt schickte sie ins Krankenhaus, um dort einen Barium-Test (durch die Einnahme von Barium wird die Nahrung im Röntgenbild sichtbar, wenn man sie kaut und schluckt. Der Arzt kann so die Nahrung auf dem Weg vom Mund in die Speiseröhre und von dort in den Magen beobachten und dabei Probleme identifizieren, die den Schluckvorgang beeinträchtigen) durchzuführen.
Bei dem Test stellten die Ärzte fest, dass Sallys Speiseröhre nicht richtig arbeitet. Ihr Zustand wurde immer schlimmer und sie wurde sehr krank. Durch die Corona-Pandemie musste sie zudem sehr lange auf Arzttermine warten. Auch hinzugezogene Hals-Nasen-Ohrenspezialisten konnten Sally nicht helfen. An Weihnachten letzten Jahres war sie an einem Tiefpunkt angelangt – sie wusste nicht mehr weiter.
13 Monate wird Sally künstlich ernährt
Weil sie nichts mehr bei sich behalten kann – noch nicht einmal mehr flüssige Nahrung – verliert sie sehr viel Gewicht. Ihre letzte richtige Mahlzeit– Pasta – hatte sie im Februar. Doch auch danach verbrachte sie zwei Tage damit sich zu übergeben.
Völlig dehydriert und am Ende ihrer Kräfte wird sie deshalb ins Krankenhaus eingeliefert und muss nun künstlich über eine Magensonde ernährt werden. Insgesamt trägt sie diese 13 Monate lang – sechs Mal wird die Sonde in dieser Zeit gewechselt. Eine Tortur für die sportliche Sally, die mit der Röhre ihre Sportarten Crossfit und Boxfit nicht so ausüben kann, wie sie es gewöhnt ist. Wenn sie trotzdem mit dem Schlauch in der Nase beim Training auftaucht, starren die Leute sie wieder an. Doch trotz allem hilft ihr das Training dabei, ihren psychischen und physischen Stress abzubauen.
Endlich die Diagnose: Achalasie
Im Mai schließlich bekommt Sally nach einem weiteren Test im Londoner Guy's Hospital die Diagnose Achalasie. Bei dem Manometrie-Test wird untersucht, ob die Speiseröhre in der Lage ist, Nahrung normal in den Magen zu transportieren. Kann sie dies nicht, so ist das ein Anzeichen für die seltene Erkrankung Achalasie. Sally ist einerseits froh, dass sie endlich eine Diagnose hat, andererseits aber auch frustriert, dass es monatelang gedauert hat, sie zu bekommen: "Ein Schlauch wird durch Nase und Hals gesteckt, dabei trinkt man einige Schlucke Wasser. Ich hatte eine Diagnose innerhalb von 10 Sekunden. Es ist wahnsinnig frustrierend, dass diese Diagnose erst so spät gestellt wurde!"
Innerhalb kürzester Zeit bekommt Sally nun einen OP-Termin. Am 29. Juni hatte sie eine perorale endoskopische Myotomie – ein minimalinvasives chirurgisches Verfahren, das es wieder möglich macht, dass Nahrung und Flüssigkeiten in den Magen gelangen.
Schritt für Schritt zurück zur Normalität
Zwei Tage verbringt Sally danach noch im Krankenhaus. Sie kann wieder flüssige Nahrung, Shakes, Suppen, Joghurt und ein wenig Obst bei sich behalten. Schritt für Schritt arbeitet die 39-Jährige nun daran, dass sie alle Lebensmittel, die sie so sehr vermisst hat im letzten Jahr, wieder zu sich nehmen kann und so wieder ein normales Leben mit ihrer Tochter und ihrem Partner führen kann.
Die Reaktionen anderer Menschen auf ihren Anblick war für Sally sehr belastend. Sie hat aber auch viel Unterstützung erfahren. Online hat sie eine Selbsthilfegruppe gefunden, Menschen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben wie sie.
Viele wollen von ihr wissen, wie sie diagnostiziert wurde, weil auch sie nicht mehr weiterwissen. Weil Achalasie so selten vorkommt, werden die Symptome – gerade bei Frauen – oftmals falsch gedeutet und auf Stress oder Essstörungen zurückgeführt.
Sally spricht offen über ihre Erfahrungen, weil sie auf die Krankheit aufmerksam machen möchte, damit anderen Betroffenen schneller geholfen wird. Und an die Nichtbetroffenen appellieren, emphatischer auf die Not anderer zu reagieren, statt sich über sie lustig zu machen und so deren Leiden noch zu verstärken.
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