Gesundheit

Virologe erklärt: Geimpfte wohl kaum ansteckend – wenn man sich an Impfplan hält

Nach derzeitigem Wissensstand ist nicht klar, ob eine Person, die gegen Sars-CoV-2 geimpft wurde, das Virus noch übertragen kann oder nicht. Eine Studie mit Affen macht wenig Hoffnung. Der Virologe Friedemann Weber ist dennoch optimistisch.

Es ist eine der entscheidenden Fragen rund um die Corona-Impfung: Können Geimpfte das Virus weiterverbreiten? Nach aktuellen Daten verhindert das Vakzin von Biontech/Pfizer zwar mit einer Effektivität von 95 Prozent, dass eine geimpfte Person an Covid-19 erkrankt, und bietet damit einen sehr guten individuellen Schutz. Doch unklar ist bisher noch, ob Geimpfte den Erreger nach einer Infektion kurzfristig in sich tragen und so andere Menschen anstecken können.

Bei einer Informationsveranstaltung für Ärzte Anfang Dezember sagte Klaus Cichutek, Präsident des Paul-Ehrlich Instituts – das die Impfstoffstudien in Deutschland überwacht –, dass es sich bei den Corona-Vakzinen sehr wahrscheinlich nicht um „sterile Impfungen“ handeln würde. Von einer sterilen Immunität ist in der Medizin die Rede, wenn das Immunsystem alle Krankheitserreger im Körper vollständig abtötet. Die geimpfte Person trägt das Virus dann nicht in sich und kann es dementsprechend auch nicht weitergeben.

Versuche an Rhesusaffen, die gegen Sars-CoV-2 geimpft wurden, hätten mithin gezeigt, dass sich das Virus bei ihnen vermehren konnte, was hinsichtlich der Ansteckungsfähigkeit eine schlechte Nachricht ist.

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Tierversuche wiesen auf Schwächen des Impfstoffes hin

Bei der Studie, die Mitte Oktober in dem Fachmagazin „The New England Journal of Medicine“ erschien, handelt es sich um eine Untersuchung des US-Konzerns Moderna, dessen Impfstoff dem von Biontech/Pfizer stark ähnelt. In der Studie bekamen die Affen zunächst zweimal im Abstand von vier Wochen den mRNA-Impfstoff, dann versuchten die Forscher die Tiere mit einer hohen Dosis Sars-CoV-2 zu infizieren.

Dabei verhinderte das Immunsystem der geimpften Affen nicht nur eine Krankheit, sondern auch, dass sich das Virus in der Lunge und – bei einer sehr hohen Dosis Impfstoff – auch in der Nase nachhaltig vervielfältigen konnte. Bei einer niedrigen Impfdosis jedoch vermehrte sich das Virus auch bei den geimpften Affen über längere Zeit in der Nase.

Virologe gibt Entwarnung

Den Virologen Friedemann Weber von der Justus-Liebig-Universität Giessen beunruhigt die Studie nicht. Denn: „Erstens haben die Affen eine ordentliche Menge an Viren abbekommen, wahrscheinlich deutlich mehr als man es normalerweise würde.“ Zweitens erfolge die in den USA nun zugelassene Moderna-Impfung mit der höheren Dosis an Impfstoff, die sich auch in den klinischen Studien als hochwirksam erwiesen hat.

Doch selbst wenn sich das Virus auch im geimpften Menschen etwas vermehren sollte, so Weber, dann sei zu erwarten, dass die Phase der Infektiosität immer noch deutlich kürzer und die Viruslast deutlich niedriger als bei Nicht-Geimpften ist, womit die Verbreitung des Virus stark reduziert werde. Um ein abschließendes Urteil treffen zu können, seien aber weitere Untersuchungen notwendig – solange müssen sich Geimpfte auch weiterhin an die Hygiene- und Vorsichtsmaßnahmen halten.

Die Corona-Pandemie bestimmt auch zehn Monate nach den ersten Fällen in Deutschland weiter das Geschehen auf der Welt. Bei FOCUS Online beantworten Infektiologe und Privatdozent Christoph Spinner, der Professor für Virologie Friedemann Weber und die Vorständin der Deutschen Gesellschaft für Statistik Katharina Schüller gemeinsam mit Gesundheitsredakteurin Kristina Kreisel die wichtigsten Fragen – tagesaktuell, verständlich und wissenschaftlich fundiert.

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Vollständig Geimpfter dürfte kaum ansteckend sein

Generell gibt sich Weber aber optimistisch, was die Wirksamkeit des Impfstoffes von Biontech/Pfizer, den bisher knapp 250.000 Deutsche erhalten haben, betrifft: „Die Antikörpertiter und auch T-Zell-Antworten sind so stark, dass ich mir persönlich nicht vorstellen kann, dass ein vollständig Geimpfter noch großartig ansteckend ist. Spätestens nach der zweiten Biontech-Impfung schätze ich die Gefahr demnach eher niedrig ein, also wenn man nach dem vorgeschriebenen Schema vorgeht.“

Damit spielt Weber auf die Debatte über eine mögliche Verschiebung der zweiten Impfdosis an: Seit einigen Tagen wird diskutiert, ob man die nötige zweite Impfdosis von Biontech/Pfizer statt nach den vorgegebenen drei Wochen auch später verabreichen könnte, um zunächst möglichst viele Menschen mit den knappen Vorräten zu impfen.

Abstand zwischen erster und zweiter Impfdosis sollte nicht verlängert werden

„Da der Abstand zwischen beiden Impfungen mit großer Wahrscheinlichkeit in weiten Grenzen variabel sein kann und der Schutz auch nach einer Impfung schon sehr gut ist, ist es durchaus überlegenswert, bei Impfstoffmangel zunächst bevorzugt die erste Impfung zu verabreichen“, hatte Thomas Mertens, Vorsitzender der Ständigen Impfkommission (Stiko) am Robert Koch-Institut, gesagt. Ähnlich hatte sich der Bonner Virologe Hendrik Streeck geäußert.

Friedemann Weber hält eine Verlängerung des Abstandes dagegen für bedenklich: „Damit würde man sich in ein nicht-getestetes Schema begeben, und das finde ich persönlich nicht akzeptabel. Denn zum einen wird ja immer wieder betont, dass es sich um einen klinisch getesteten Impfstoff handelt – und die Sicherheit und Effizienz sind eben genau mit diesem Schema getestet worden. Wenn man nun an diesem Schema dreht, dann hat man ein Problem mit der Glaubwürdigkeit. Denn wie will man dann noch glaubhaft vermitteln, dass die Zulassung des Impfstoffes auf wissenschaftlich fundierten Daten basiert?“.

Zudem, so Weber, sei es möglich, dass nur einmalig Geimpfte nicht genug Immunschutz haben, um eine Ausbreitung des Virus „unter der Impfdecke“ zu verhindern. Auch könnte man damit die Entstehung impfstoffresistenter Virusmutanten fördern.

„Man muss die volle Effizienz ausnutzen“

Ähnlich argumentierte die europäische Zulassungsbehörde EMA. Zwar sei eine Obergrenze für den zeitlichen Abstand zwischen den Dosen nicht explizit definiert, der Nachweis der Wirksamkeit basiere aber auf einer Studie, bei der die Verabreichung der Dosen im Abstand von 19 bis 42 Tagen erfolgte, sagte die EMA der Nachrichtenagentur „dpa“.

Eine Verabreichung etwa im Abstand von sechs Monaten stehe nicht im Einklang mit den Bestimmungen und wäre demnach als Off-Label-Anwendung zu werten, hieß es weiter. Konkret bedeute dies, dass eine abweichende Vorgehensweise eine Änderung der Zulassung sowie mehr klinische Daten zur Unterstützung einer solchen Änderung erfordern würde, „da es zurzeit keine Daten gibt, die einen Schutz nach der ersten Dosis über zwei bis drei Wochen hinaus zeigen“.

Der Virologe Weber ergänzte: „Im Prinzip ist es wie bei einer Behandlung mit Antibiotika – man muss die volle Effizienz ausnutzen, damit der Erreger keine Chance hat. Man sollte nicht die Zeit der halbfertigen Immunität strecken und hoffen, dass es schon irgendwie passt, während das Virus weiter durch die Bevölkerung geht.“

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