Persönliche Gesundheit

Was bewirkt eine Magenverkleinerung?



Eine Magenverkleinerung kann Übergewichtigen zu einem gesünderen Körpergewicht verhelfen. Doch Patienten müssen ihr Leben langfristig umstellen und einiges tun, damit die Kasse die Kosten übernimmt

Rund 1,5 Millionen Menschen in Deutschland leiden unter Fettleibigkeit. Davon erhalten jährlich etwa 10 000 eine Adipositas-Operation

Mindestens einen Zentner hat der "Biggest Loser" abgespeckt, wenn er zum Gewinner der gleichnamigen Fernsehshow gekürt wird. Die Sendung hat ihren Ursprung in den USA, doch seit zehn Jahren wetteifern auch stark übergewichtige Menschen aus Deutschland vor laufenden Kameras, binnen Monaten möglichst viele Pfunde zu verlieren. Bilder der strahlenden Sieger suggerieren: Der Abspeckturbo hat sich gelohnt. Doch wie entwickelt sich das Gewicht der Teilnehmer anschließend weiter?

Die Analyse der US-Staffel des Jahres 2009 zieht eine ernüchternde Bilanz. So hatten die 14 untersuchten Personen während der Show im Schnitt 58 Kilogramm verloren, doch sechs Jahre später wieder um 41 Kilo zugelegt. Durchschnittlich wogen sie dann 132 Kilo. Diese Ergebnisse wurden in der Fachzeitschrift Obesity publiziert. Die Studie bestätigt, was auch von medizinischen Fachgesellschaften empfohlene Abnehmprogramme zeigen: Extrem dicke Menschen schaffen es kaum, mit Ernährungsumstellung und Sport wieder auf ein einigermaßen gesundes Gewicht zu kommen – und es langfristig zu halten.

Abnehmen: Bei starkem Übergewicht sinken die Erfolgschancen

"Ist der Körpermasseindex auf über 40 geklettert, liegen die Erfolgschancen vielleicht bei fünf Prozent", schätzt Professor Beat Müller, Leiter der Sektion Minimal Invasive und Adipositas-Chirurgie am Universitätsklinikum Heidelberg. Der Index errechnet sich aus dem Verhältnis von Gewicht und Körpergröße zum Quadrat. Eine 1,80 Meter große und 130 Kilo schwere Person beispielsweise hat den Wert von 40. Ab hier sprechen Mediziner von morbider Fettleibigkeit oder Adipositas. Denn bei so viel Übergewicht besteht ein extrem hohes Risiko, Erkrankungen wie zum Beispiel Typ-2-Diabetes zu entwickeln.

Sind alle Abnehmversuche fehlgeschlagen, bleibt nur noch eine letzte The­­rapieoption: die Adipositas-Operation. Chirurgen verkleinern dabei den Magen und/oder verkürzen die Passage der Nährstoffe durch den Dünndarm. "Diese Eingriffe sind wirksam und sicher", sagt Adipositas-Chirurg Müller. Viele Patienten schaffen es, ihr Gewicht in den folgenden Monaten drastisch zu reduzieren. Oft sinkt die Körpermasse um 20 bis 30 Prozent. Was nicht nur daran liegt, dass der Magen viel weniger Volumen als vorher fasst und über den verkürzten Dünndarm weniger Nährstoffe ins Blut gelangen.

Operation beeinflusst Hormone, Appetit und Zuckerstoffwechsel

Es verändern sich zudem die Hormone und Nervensignale, mit denen Verdauungstrakt und Gehirn kommunizieren. "Die Operation hat auf eine Weise, die wir noch nicht ganz verstehen, an verschiedenen Punkten einen Effekt: beim Appetit, beim Sättigungsgefühl, beim Geschmacks- und Geruchssinn", erklärt Müller. Verblüffenderweise berichten manche Operierte noch im Krankenhaus, ihre Hunger-Attacken ­etwa auf Schokolade oder Currywurst seien urplötzlich verschwunden.

Auch viele Typ-2-Diabetiker erleben überraschend schnell einen positiven Wandel. "Mit der Operation verändern sich die Hormone, die den Zuckerstoffwechsel regulieren. Manche Patienten benötigen bereits am gleichen Tag keine Diabetes-Medikamente mehr", sagt Professor Matthias Blüher, Vorsitzender der Deutschen Adipositas Gesellschaft und Leiter der Adipositas Ambulanz an der Universitätsklinik Leipzig. Ein Jahr nach dem Eingriff sind gut zwei Drittel der operierten Diabetiker medikamentenfrei, nach zehn Jahren immerhin noch ein Drittel, wie eine schwedische Langzeitstudie zeigt.

Diabetes mellitus lässt sich nicht "wegoperieren"

Professor Andreas Fritsche, Leiter der Abteilung Prävention und Therapie des Diabetes mellitus am Uniklinikum Tübingen, erklärt, warum die Effekte nachlassen: "Bei fortgeschrittenem Typ-2-Diabetes schüttet die Bauchspeicheldrüse nicht mehr genug Insulin aus. Dieses Problem wird durch die Operation nicht behoben." Man könne die Zuckerkrankheit also nicht wegoperieren – auch wenn manche Kollegen das behaupten. Doch es sei ein großer Vorteil, einige Jahre lang keine oder deutlich weniger Diabetesmittel zu benötigen. Ärzte sollen Typ-2-Diabetiker bereits ab dem Körpermasseindex von 35 über die Möglichkeit einer Operation informieren, falls Medikamente den Zuckerstoffwechsel nicht normalisieren, empfiehlt denn auch die medizinische Leitlinie.

Allerdings muss die Operation das Mittel der letzten Wahl bleiben. Wie bei jedem chirurgischen Eingriff gibt es Risiken, etwa für Infektionen und Blutungen sowie durch die Narkose. Für Menschen mit einer schweren psychischen oder körperlichen Erkrankung kommt ohnehin kein chirurgischer Eingriff zum Abnehmen infrage. "Man muss sehr gut überlegen, für wen sich eine Operation eignet", sagt Dia­betes-Experte Fritsche. Einfach zu fordern, ab einem bestimmten Index müsse man operieren, hält er für falsch. Die Leit­linie rät ebenfalls, ein Gremium von Experten verschiedener Fachdisziplinen solle über die Behandlung jedes Adipositas-Patienten individuell entscheiden. Und der Eingriff sollte nur in darauf spezialisierten Kliniken erfolgen.

Die Effekte einer Magenverkleinerung


Unmittelbare Effekte

Bei vielen Patienten verändern sich gleich nach dem Eingriff der Appetit, das Sättigungsgefühl und der Zuckerstoffwechsel. Manche Diabetiker benötigen keine Medikamente mehr, wenn sie die Klinik verlassen. 

Effekte der Operation nach einem Jahr

Auf das Körpergewicht: Dieses hat sich im Schnitt um 20 bis 30 Prozent reduziert.  Daraus kann sich ein Nachteil ergeben: Hautlappen, die am Körper herunterhängen. Die chirurgische Straffung müssen die Patienten meist selbst bezahlen.

Auf den Stoffwechsel: Über zwei Drittel der Zuckerkranken benötigen keine Diabetes-Medikamente mehr. Bei Nichtdiabetikern hat sich das Erkrankungs­­risiko deutlich verringert.

Auf die Gelenke: Viele Beschwerden verschwinden oder gehen zurück. ­­Bereits vorher entstandene Schäden lassen sich jedoch nicht mehr rückgängig machen.

Auf die Lebensqualität: Die Zufriedenheit steigt bei den meisten. Sie sind wieder mobiler und haben ein aktiveres Sozialleben. Doch manche entwickeln eine schwere Depression, Alkohol-, Tabak- oder Drogensucht.  

Auf die Verdauungsorgane: Bei den Operierten erhöht sich das Risiko für Gallensteine, Krank­heiten des Verdauungstrakts und Eingeweidebrüche.  

Effekte der Magenverkleinerung nach 10 Jahren

Auf das Körpergewicht: Viele Menschen schaffen es, langfristig ihr niedrigeres Gewicht zu halten.

Auf den Stoffwechsel: Viele Operierte sind an Diabetes erkrankt oder benötigen wieder Medikamente. Doch immerhin ein Drittel behalten langfristig einen normalen Zuckerstoffwechsel und tragen so auch kein Risiko für Spätschäden durch Diabetes.

Auf die Gefäße: Das Risiko, an Herzschwäche, Herz- und Hirninfarkten zu erkranken und zu sterben, ist messbar gesunken.

Auf Krebs: Das allgemeine Risiko für Tumore ist gesunken. Frauen profitieren davon stärker als Männer. Grund: Vor allem das Brustkrebsrisiko hat sich verringert.

Operiert wird erst, wenn alle anderen Optionen erfolglos waren

Aktuell gibt es in Deutschland jährlich rund 10 000 solcher Operationen – relativ wenig im Vergleich zu unseren Nachbarn. In der Schweiz wird drei Mal, in Belgien sogar zwölf Mal so oft operiert. Trotzdem warnte die Krankenkasse Barmer bereits vor zwei Jahren vor ausufernden Kosten. Bei knapp 1,5 Millionen Menschen mit einem Körpermasseindex von mindestens 40 ergeben sich Ausgaben von 14,4 Milliarden Euro, wenn jeder operiert würde. Allerdings berücksichtigt die Rechnung nicht zu erwartende Einsparungen durch vermiedene Krankheiten wie Diabetes, kritisiert Chirurg Müller.

Hinzu kommt: Die Kassen zahlen die Operation nur, wenn andere Optionen erfolglos geblieben sind. Etwa ein Abnehmprogramm mit angepasster Ernährung, körperlicher Aktivität und Verhaltenstherapie. Doch diese Maßnahme wird meist nicht bezahlt. Müller: "Es gibt Kassenprogramme, die solche Therapien möglich machen und erstatten. Doch leider ist das die Ausnahme."

Für viele Versicherte ergibt sich ein doppeltes Problem. Sie absolvieren kein Abnehmprogramm, wenn noch gute Erfolgschancen bestehen. Klettert das Gewicht weiter, wird die Kostenübernahme für die Opera­tion verweigert, weil noch kein professionell begleiteter Abnehmversuch stattgefunden hat. 

Operierte müssen ihr Leben langfristig umstellen

Doch der chirurgische Eingriff ist kein Erfolgsgarant. Wer operiert wird, muss sein Leben lang auf seine Ernährung und genügend Bewegung achten. Am besten gelingt das mit einer langfris­tigen medizinischen Begleitung. Vor allem das erste Jahr erfordert engmaschige Kontrollen. Denn mit dem drastischen Schwund an Fettgewebe verändert sich oft die Medika­tion. Diabetesmittel, Blutdruck- und Cholesterinsenker können reduziert oder gar abgesetzt werden. "Weiterhin sollten Ärzte regelmäßig die Spiegel bestimmter Vitamine und Spuren­elemente im Blut messen", ergänzt Fritsche. Bei einem Mangel muss man ihn durch die Einnahme von Präparaten ausgleichen.

Der gefürchtete Jo-Jo-Effekt lässt sich nicht ausschließen. Doch die Chancen, das niedrigere Gewichtsniveau zu halten, stehen insgesamt gut. Was unter anderem daran liegt, dass der Körper nicht in einen Hungerzustand verfällt – ein Effekt, der allen konventio­nellen Abnehmbemühungen entgegenwirkt. Das zeigte auch die "Biggest Loser"-Studie. Noch sechs Jahre nach der Show verbrannten die Teilnehmer im Schnitt täglich 500 Kilokalorien weniger, als bei ihrer Körpermasse zu erwarten wäre – das entspricht der Energie einer leichten Hauptmahlzeit."Wie ein Eisbär, der in den Winterschlaf geht, haben die Teilnehmer ihren Grundumsatz heruntergefahren", so Müller.

Der Hungerzustand lässt sich abmildern, indem man Übergewicht langsam – um höchstens ein Kilo pro Woche – abbaut, empfehlen Experten. Wer langfristig abspecken will, sollte nicht der Fernsehshow nacheifern und im Turbo-Tempo möglichst viele Kilo verlieren.

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